Sebastian Frank, der Mann, der Gemüse wieder sexy gemacht hat, gilt längst als einer der großen Denker der europäischen Küche. Der gebürtige Niederösterreicher, irgendwo zwischen Gemüsegarten und Wiener Feinsinn groß geworden, kam 2010 nach Berlin – um hier alles anders zu machen. Während andere noch stolz ein Stück Wagyu in den Ofen schoben, hatte Frank längst erkannt, dass eine Sellerieknolle in Salzteig eine Offenbarung sein kann. Er entzauberte die vermeintliche Beilage, erhob sie zum Hauptdarsteller und servierte dem deutschen Feuilleton die vielleicht größte Demütigung der Fleischküche seit der Erfindung des Vegetariers. Dabei ist das Horváth aber kein klassisch vegetarisches oder veganes Restaurant, es verzichtet nur auf Fleisch und Fisch. Damit hat er den Begriff der „emanzipierten Gemüseküche“ geprägt. Im Horváth, am romantisch verwegenen Paul-Lincke-Ufer, hat er ein kulinarisches Universum geschaffen, in dem Fleisch nicht reduziert, sondern Gemüse radikal gedacht wird. Hier wird nichts versteckt, nichts „ersetzt“, sondern neu interpretiert. Das Ergebnis: zwei Sterne, unzählige internationale Auszeichnungen und ein Platz in der Riege der ganz großen Visionäre.
Tony Hohlfeld wiederum steht für eine Küche, die gleichzeitig Druck und Demut kennt. „Der Geschmack muss Druck haben“, sagt er – und wer bei ihm im Jante in Hannover isst, spürt das sofort. Da werden Forellen aus der Region fermentiert, Rüben getrocknet, Altes neu gedacht, und alles folgt einem klaren Ethos: Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern Haltung. Gemeinsam mit seiner Partnerin Mona Schrader hat er das Jante zu einem Ort gemacht, an dem Leichtigkeit und Präzision Hand in Hand gehen. Zwei Sterne auch hier – aber keiner davon wirkt angeklebt. Hohlfeld kocht, als würde er der Welt beweisen wollen, dass Verantwortung schmecken kann. Wenn also Frank und Hohlfeld gemeinsam kochen, prallen zwei Welten aufeinander, die dieselbe Sprache sprechen: Reduktion, Konzentration, Perfektion. Da treffen österreichische Aromenseelen auf norddeutsche Klarheit, Sellerie auf Sauerklee, Emotion auf Struktur. Es wird nicht laut, nicht theatralisch – aber intensiv. Wie zwei Jazzmusiker, die sich nicht übertrumpfen, sondern gegenseitig in Höhen treiben, die sie allein vielleicht nie erreicht hätten.
Begleitet werden die beiden an diesem Abend von Kai Schätzel und Jule Eichblatt vom VDP.Weingut Schätzel in Nierstein. Wer ihre Weine kennt, weiß, dass sie perfekt in dieses Spiel aus Druck und Finesse passen. Schätzel ist so etwas wie der Tony Hohlfeld des Weinbaus: ein Tüftler, der mit Geduld, Gefühl und Präzision Rieslinge entstehen lässt, die mineralisch vibrieren, als hätten sie selbst eine Meinung. Seine Lagen am Roten Hang sind Legenden, seine Handschrift unverkennbar – klar, kompromisslos, manchmal fast asketisch. Und doch schwingt in jeder Flasche eine große Zärtlichkeit mit, als würde der Wein wissen, dass er bald mit etwas ganz Besonderem zusammentreffen wird: einem Teller aus der Hand von Sebastian Frank. In Deutschland hat wohl kein anderes Weingut die Themen Natur, Naturwein, Autolyse, Lagerung unter Flor, Jahrgangscuvées und Minimalinvasion so neu gedacht wie Kai und Jule. Das macht dieses Weingut und diese Menschen zu den aufregendsten Akteuren und Gesprächspartnern der Weinwelt.