Wenn Massimo Ferradino an Bord geht, dann knurren nicht nur die Mägen, sondern auch die Trüffelhunde. Der Mann ist schließlich kein gewöhnlicher Händler, sondern der Kapitän auf der schwimmenden Trüffelbarke der eat! berlin. Mit feiner Nase und noch feinerem Gespür für Genuss navigiert er durch die Stadt, immer auf der Suche nach dem nächsten kulinarischen Abenteuer. Dieses Mal wirft er den Anker in der Pannierstraße, wo das Restaurant Merold nach einer langen Zwangspause endlich wieder in See sticht.
KNOLLE FAHRT VORRAUS – MEROLD



Pannierstraße 24 | 12047 Berlin
Jonas Merold, der Kapitän dieser Küche, stammt aus Weiden in der Oberpfalz und hat gelernt, die kulinarischen Winde zu lesen. Bei Tim Raue lernte er, wie man Leidenschaft in Struktur packt, im Reinstoff und im Coda schärfte er seinen Geschmack und seinen Sinn für Texturen und Aromen. Seit 2021 führt er nun sein eigenes Restaurant in Neukölln – ein Ort, an dem Fine-Dining nicht auf Stelzen daherkommt, sondern lässig in Turnschuhen. Doch kaum hatte sich das Merold in die Herzen der Stadtbewohnenden gekocht, zwangen statische Probleme das Haus in die Knie. Aus „kurz mal renovieren“ wurde eine gefühlte Ewigkeit, doch jetzt, 16 Monate später, ist die Kombüse wieder startklar. Und Jonas macht gleich klar, dass er nichts verlernt hat. Für den Abend mit Massimo Ferradino kramt er ein Gericht aus der Schatzkiste der französischen Haute Cuisine hervor – die legendäre Poularde en Vessie. Das ist kein Hühnchen, das ist eine Ansage. Das Tier, stammt von Odefey & Töchter – laut Jonas „die besten Geflügelzüchter Deutschlands“ –, wird mit Trüffel gespickt, mit Stopfleber gefüllt und in einer Schweinsblase im Wasserbad gegart. Wer das jetzt unromantisch findet, hat das Prinzip verstanden: Es geht um Aromen, um Zartheit, um Respekt vor dem Produkt. So zubereitet wird die Poularde zum kulinarischen Liebesbrief an Paul Bocuse und seinen Lehrmeister Ferdinand Point. Jonas legt Wert auf Nachhaltigkeit und deshalb verwendet er auch keine klassische Foie Gras. Stattdessen liefert ihm Tobias Sudhoff seine Happy foie, eine feine Leber, die ganz ohne Stopfen auskommt, aber wie echte Foie Gras schmeckt.
Während Jonas in der Küche die französische Klassik aufleben lässt, sorgt Massimo für die schwarze Magie. Seine Trüffel – mal aus dem Piemont, mal aus Umbrien – duften nach feuchtem Waldboden und dem Versprechen, dass Glück durchaus essbar sein kann. Ferradino inszeniert sich nicht als Trüffelpapst, sondern als leidenschaftlicher Seemann der Aromen. Mit einem Augenzwinkern spricht er von „Trüffel-Navigation“, wenn er seine Ware auf den Punkt bringt – und dieser Abend zeigt, dass er den Kurs präzise hält. Begleitet wird das Ganze vom VDP.Weingut Beurer aus Kernen im Remstal. Beurer, früher BMX-Weltmeister und heute Riesling-Virtuose, steht wie kein anderer für Weine mit Haltung. Seine Lagen im Remstal bringen Gewächse hervor, die schmecken wie Jazz klingt: komplex, rhythmisch und voller Spannung – perfekt also für ein Menü, das zwischen französischem Klassiker, Berliner Kiez und italienischem Trüffeltraum tanzt. Riesling zu Trüffel? Und wie gut das geht! Vor allem, wenn sie, so wie Jochen das macht, naturnah ausgebaut werden. Dann sind sie oft salzig, puristisch, gelegentlich leicht trüb und voller Struktur und Energie.
Im Merold treffen an diesem Abend zwei Überzeugungen aufeinander: die von Massimo, dass nichts so elegant duftet wie eine frisch gehobelte Trüffel, und die von Jonas, dass große Küche auch ohne Goldrand funktioniert. Dazu ein Winzer, der als einer der großen Pioniere des biodynamischen Weinbaus in Württemberg zählt. Es wird gelacht, gegessen, geschnuppert – und am Ende bleibt das Gefühl, an einer kulinarischen Expedition teilgenommen zu haben. „Knolle Fahrt voraus“ ist also mehr als nur eine Veranstaltungsreihe. Es ist eine kleine Flotte von Genussabenden, gesteuert von einem Mann, der Pilze zu Poesie macht. Diesmal legt das Schiff in Neukölln an – und wer Glück hat, bekommt ein Ticket für die nächste Trüffelfahrt, bevor der Kapitän schon wieder in See sticht.



